Gefahr eines Weltkriegs

Von Verena Großkreutz

Heidelberg, 1. Mai 2022. 2017 war die Ukraine Gastland beim Heidelberger Stückemarkt. Wie ist die aktuelle Situation für Theaterschaffende? Welchen Beitrag können Kulturinstitutionen in Deutschland leisten? Und: "Was kann Kunst, was kann Theater angesichts des furchtbaren Kriegs in der Ukraine bewirken?", fragte die Moderatorin Susanne Burkhardt (Deutschlandfunk Kultur) ihre drei Gesprächspartner:innen beim Podiumsgespräch im Sprechzimmer des Theater Heidelberg.

Eingeladen waren die ukrainischen Exilantinnen Oksana Sawtchenko und Anastasiia Kosodii, beide Mitbegründerinnen des Theaters der Dramatiker:innen, einer Initiative von 20 Autor:innen, die im März 2022 eigentlich ihr eigenes Theaterhaus in Kyiv eröffnen wollten. Die militärische Invasion des russischen Regimes beendete dieses Vorhaben fürs erste. Außerdem zu Gast: der Altphilologe und Historiker Ernst Lüdemann, Gründer und Ehrenvorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft Rhein-Neckar e.V., der über die humanitären Hilfen berichtete, die sein Verein in Gang gebracht hat, um die ukrainische Bevölkerung vor Ort zu unterstützen.

Diskussion Ukraine Presse SR 03 kleinSprechen über den Krieg – v.l.n.r.: Ernst Lüdemann, Oksana Sawtchenko, Anastasiia Kosodii und Susanne Burkhardt (Moderation). © Susanne Reichardt

Für beide ukrainische Theaterautor:innen ist klar: Die künstlerische Arbeit muss auch im Exil weitergehen. Wenn nicht für ukrainische Theater, dann eben für Institutionen im Ausland, sagte Kosodii. Sawtchenko, die 2017 für den internationalen Autor:innenwettbewerb nominiert war, schreibt gerade an einem neuen Stück für Heidelberg. "Wenn man die Realität nicht ändern kann", sagt sie einerseits, "muss man darüber schreiben." Andererseits plane sie derzeit nicht. "Die Realität kann jeden Augenblick verschwinden", habe ihr der Krieg gelehrt. Man solle im Hier und Jetzt leben.

Anastasiia Kosodii wird in der kommenden Saison Hausautorin am Nationaltheater Mannheim. Sie organisiert derzeit an deutschen Theatern Lesungen ukrainischer Autor:innen zur aktuellen Kriegssituation. Immer wieder wird von den drei Podiumsgästen daran erinnert, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht erst am 23. Februar 2022 begonnen habe, sondern bereits im März 2014 mit der russischen Annexion der Krim. Kritisiert wird, dass in Europa darauf insgesamt nur "wachsweich" (Lüdemann) reagiert worden sei. Kritisiert wurde auch das jahrelange Bemühen der deutschen Regierung, Russland in Gespräche über die Zukunft der Ukraine einzubinden. Das habe zu nichts geführt.

In den Fokus des Podiumsgesprächs geriet dann jener umstrittene Offene Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, der am 29. April 2022 auf der Webseite der Zeitschrift EMMA veröffentlicht und von 28 deutschen Intellektuellen und Künstler:innen unterschrieben worden ist. Ihre Forderung, keine schweren deutschen Waffen an die Ukraine zu liefern wegen der Gefahr eines dritten Weltkriegs unter Einsatz von Atombomben, traf bei den Podiumsgästen auf völliges Unverständnis. Eine "Schande" nannte Anastasiia Kosodii das Schreiben. Eine Zuschauerin wendete ein, nicht der Brief sei eine Schande. In ihm äußere sich lediglich der Wunsch nach Weltfrieden. Die Schande sei der Krieg. Protest dagegen wiederum aus dem Publikum: Der Brief sei als eine indirekte Aufforderung an die Ukraine zu verstehen, zu kapitulieren. Die Ukraine habe aber ein Recht auf Selbstverteidigung. Oksana Sawtchenko warnte dann: Gerade wenn Europa die Ukraine jetzt nicht unterstütze, wachse die Gefahr eines Weltkriegs.

 

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Exil und Empowerment
Panel-Diskussion zum Krieg in der Ukraine
Mit: Oksana Sawtchenko, Anastasiia Kosodii, Ernst Lüdemann
Moderation: Susanne Burkhardt

www.theaterheidelberg.de

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