Premiere, zack, und weg?

Berlin, 6. Januar 2022. Uraufführungen sind wie One-Night-Stands: Sind sie erst einmal über die Bühne gegangen, erlischt das Interesse. So jedenfalls beschreiben es zeitgenössische Dramatiker:innen gefühlt seit Jahrzehnten. Um den Theaterbetrieb zu beständigeren Beziehungen zu seinen Autor:innen zu animieren, rief der Heidelberger Stückemarkt 2012 den Nachspielpreis ins Leben. Aber reicht diese Maßnahme aus, um das Missverhältnis zu beheben?

Ein Gespräch mit Dorothea Lautenschläger und Sabine Westermaier

 

Dorothea Lautenschläger, Sabine Westermaier, Ihr Verlag "rua. Kooperative für Text und Regie" feiert in diesem Jahr sein dreijähriges Bestehen.

Dorothea Lautenschläger: Ganz genau. Sogar exakt morgen! Der 7. Januar ist unser offizielles Gründungsdatum.

Sabine Westermaier: Dann steigt hier eine große Party: ein Jahr Normalzustand, zwei Jahre Corona (lacht).

In der Tat: Verschärfte Bedingungen! Wobei es die Gegenwartsdramatik – und bei diesem Satz bekommt man schon einen langen, weißen Bart, weil das Problem bereits so alt ist – noch nie so ganz einfach hatte. Es herrscht das Prinzip der ersten Nacht: Ist ein Stück erst einmal uraufgeführt, ist es für viele Theater quasi verbrannt. Seit 2012 versucht der Heidelberger Stückemarkt mit seinem Nachspielpreis andere Häuser zu animieren, bereits uraufgeführte Stücke neu zu inszenieren. Wie wirksam kann ein solcher Preis sein?

Sabine Westermaier: Der Nachspielpreis an sich ist natürlich eine tolle Auszeichnung. Er schafft im Rahmen des Festivals einen Ort, an dem Zweit- und Drittinszenierungen zeitgenössischer Theaterstücke gewertschätzt werden. Gleichzeitig gilt es zu beachten, wo junge Autor:innen in aller Regel gespielt werden: Die sind immer in der kleinsten Spielstätte zu finden. Ihre Stücke werden auch nicht über zwei oder drei Spielzeiten gezeigt, sondern, wenn überhaupt, über eine. Davon kann keine:r leben!

Trotzdem fokussieren sich auch die einschlägigen Festivals wie die Mülheimer Stücke, die Autor:innentheatertage am Deutschen Theater in Berlin, der Stückemarkt des Berliner Theatertreffens und der Heidelberger Stückemarkt, wenn man vom Nachspielpreis absieht, auf Uraufführungen. Als Lektorinnen sind Sie permanent mit Theatern im Gespräch. Mit welchen Argumenten versuchen Sie, eine Intendanz, eine Dramaturgie davon zu überzeugen, ein bereits uraufgeführtes Stück aus Ihrem Programm erneut zu inszenieren?

Dorothea Lautenschläger: Zunächst versuchen wir, eine stete Kommunikation mit den Theatern aufrechtzuerhalten, um sich immer wieder neu über die Stücke auszutauschen. Eine Besonderheit bei uns ist die enge Verknüpfung von Text und Regie. Die Idee unserer Verlagsarbeit ist es, Autor:innen und Regisseur:innen bereits früh im künstlerischen Prozess zu verbinden.

Sie vertreten sowohl Dramatiker:innen als auch Regisseur:innen sowie Künstler:innen, die beide Professionen vereinen.

Dorothea Lautenschläger: Genau. Und damit alle Bereiche regelmäßig zusammenkommen, veranstalten wird dreimal im Jahr unsere Kooperativen-Treffen. Ein Forum, auf dem wir gemeinsam Texte lesen, über Stücke diskutieren, Inszenierungen besprechen. Auch Regisseur:innen können treibende Kräfte in Sachen neuer Dramatik sein, wenn sie bei uns einen Theatertext kennenlernen und mit dem Wunsch an ein Haus herantreten, genau jenes Stück zu inszenieren, auch wenn es bereits uraufgeführt wurde.

Wie laufen solche Treffen ab?

Dorothea Lautenschläger: Die Treffen dauern in der Regel zwei Tage. An Tag eins liefern Sabine und ich einen kurzen transparenten rua-Geschäftsbericht ab. Ganz klassisch: Was ist seit dem letzten Treffen im Verlag passiert? Welche Dienstreisen haben wir unternommen? Welche Einnahmen und Ausgaben gab es? Transparenz ist uns sehr wichtig. Danach lesen wir gemeinsam Stücke und Konzepte und sprechen darüber. Aber auch allgemeine Fragen werden diskutiert.

Sabine Westermaier: Zudem laden wir zu jedem Treffen Dramaturg:innen als Gäste ein.

Dorothea Lautenschläger: Es geht dabei nicht ums Verkaufen, sondern schlicht darum, gemeinsam über Stücke und gegenwärtige Theaterthemen zu sprechen …

Sabine Westermaier: … oder sich überhaupt erst einmal kennenzulernen und auszutauschen. Auch für Dramaturg:innen ist es attraktiv, jenseits der Zwangsschleife der Institution – die Spielpläne und Besetzungspolitiken entstehen ja auch nicht unbedingt in großer Freiheit – einen Ort zu haben, an dem man rumspinnen kann, träumen, assoziieren; an dem man sein eigenes visionäres Theater der Zukunft erschaffen kann, ohne es sofort auf Realisierbarkeit überprüfen zu müssen.

Geht es bei den Treffen lediglich um neue Texte? Oder werden auch Stücke gelesen, die Sie bereits länger im Programm haben?

Dorothea Lautenschläger: Wir lesen natürlich auch ältere Stücke, auch unfertige oder sogenannte Schubladenstücke, die bereits vor zehn Jahren geschrieben wurden. Von allen Seiten können Fragen gestellt werden, um gemeinsam in einen kreativen Prozess einzusteigen. Das ist unfassbar bereichernd. Wir waren beim ersten Mal ganz geplättet, wie wohlwollend und fürsorglich über Kunst gesprochen wurde. Ein kreativer Raum an Möglichkeiten!

Sabine Westermaier: So war zum Beispiel beim letzten Treffen ein Autor dabei, der „nur“ eine Stückidee vorgestellt hat. Total spannend, welche Anmerkungen und Assoziationen die Regieseite sofort einbrachte. Wir wollen nicht nur Endprodukte besprechen, sondern andere an der künstlerischen Genese teilnehmen lassen, damit Autor:innen und Regisseur:innen für sich daraus etwas Wertschöpfendes ziehen können.

Das erfordert aber einen ganz bestimmten Typus Autor:in. Eben nicht denjenigen bzw. diejenige, der:die seine:ihre Werke lieber allein am Schreibtisch erschafft, um sie dann Regie und Ensemble zum Fraß vorzuwerfen. Sind es speziell Ihre Autor:innen, die sich gerne einem kollektiven Prozess stellen, oder hat sich der Typus des:der Autor:in über die Jahre generell verändert?

Sabine Westermaier: Es ist tatsächlich so, dass Künstler:innen zu uns kommen, die an dieser Form des Austauschs Interesse haben. Es gibt sicherlich noch immer den:die im stillen Kämmerlein vor sich hinschreibende:n Autor:in, aber uns ist dieser Netzwerkgedanke total wichtig, diese Sehnsucht nach Nähe und Dialog mit den anderen Berufsgruppen im Theater. Ob sich da allgemein etwas verändert hat, kann ich gar nicht sagen.

Dorothea Lautenschläger: Ich habe schon das Gefühl, dass der Wunsch, sich auszutauschen, größer wird. Luft nach oben besteht für uns nach wie vor in der Art und Weise, wie wir über Stücke sprechen. Wir überlegen immer wieder neu, wie Kritik aussehen kann. Denn die kommt natürlich – mitunter auch im härteren Ton, was gut ist, aber den:die Betreffende:n in einer großen Runde auch schnell bloßstellen kann. Welche Formen der Verhandlung braucht es? Welche Rolle nehmen wir als Moderatorinnen ein?

Sabine Westermaier: Wobei es uns auch nicht nur um Textkritik geht. Durch unseren Fokus auf Text und Regie müssen sich auch Regisseur:innen einer Diskussion über Inszenierungsweisen, Ästhetiken und den Umgang mit neuen Stücken stellen. Wir wünschen uns, dass sich alle gemeinsam weiterentwickeln, was die Perspektive auf den Text als das Urmaterial angeht, von dem aus eine Inszenierung, zumindest im klassischen Sprechtheater, gedacht wird.

Dorothea Lautenschläger: Zudem werden wie gesagt auch allgemeine Fragen besprochen. So ging es beim letzten Treffen tatsächlich sehr konkret um nachhaltiges Arbeiten. Ein Aspekt, den die Regiekolleg:innen einbrachten, da ja auch sie immer nur temporär an Theatern zu Gast sind. Auch bei ihnen ist der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit groß.

Gab es konkrete Ideen, wie sich die Arbeit für alle nachhaltiger gestalten ließe?

Dorothea Lautenschläger: Es gibt durchaus schon Theater, die in diesem Sinne nachhaltig arbeiten, die eine ganz enge Bindung zu ihren Künstler:innen aufbauen. Das Theater Marburg ist ein Beispiel, wo mit Anah Filou, einer Autorin von uns, eine langjährige Zusammenarbeit entstanden ist, die weit über eine reine Hausautor:innenschaft hinaus geht. Generell wünschen sich Autor:innen und Regisseur:innen mehr Raum für Gespräche zur Vor- und vor allem Nachbereitung. Bei vielen herrscht das Gefühl, sie würden in einen Theaterkontext hineingeworfen und nach erfolgter Premiere sofort hinausgeworfen, sodass sie, sobald sie wieder auf dem freien Markt sind, ihre ganzen Erfahrungen, die positiven wie negativen, gar nicht produktiv verarbeiten können. Verlage und Agenturen bieten dafür natürlich einen Raum. Aber es besteht auch der Wunsch, mit den Häusern konkreter im Gespräch zu bleiben, in einem ehrlichen Gespräch, das sich im Zweifelsfall der Tatsache nicht entzieht, dass eine künstlerische Zusammenarbeit auch mal nicht geklappt hat.

Dazu fehlt den schnellen Brütern namens Stadttheater wahrscheinlich die Zeit und die Muße. Pragmatisch heißt es: Produktion gescheitert? Next please!

Sabine Westermaier: Ja. Leider! Damit einher geht das Problem des Brandings. Wer wird warum wohin eingekauft? Auch der Theatermarkt funktioniert mitunter nach kapitalistischen Kriterien. Da passiert es schnell, dass Autor:innen oder Regisseur:innen nur noch als Marke wahrgenommen werden, die etwas bestimmtes erfüllen soll.

Der:die Expert:in für kalauernde Textflächen, der:die Expert:in für dialektal gefärbte Volksstücke, der:die Expert:in in Sachen Weltuntergang …

Sabine Westermaier: Genau. Es geht somit auch darum, Theater dafür zu sensibilisieren, gemeinsam zu wachsen, gemeinsam Dinge immer wieder neu auszuprobieren, um nicht steckenzubleiben, um nicht permanent die üblichen Verdächtigen ans Haus zu holen.

Immerhin für die üblichen Verdächtigen eine Art Nachhaltigkeit. Aber auch die sind mit ihrem Markendasein sicherlich nicht ganz so glücklich.

Sabine Westermaier: Nein, wer will schon eine Marke sein. Eine Marke einzukaufen bedeutet doch: Ich weiß, was mich erwartet. Und wer will dafür, dass er:sie angeblich Erwartbares liefert, schon berühmt werden? Das ist doch langweilig!

Dorothea Lautenschläger: Und gar nicht einzuhalten. Man kann ja nicht jahrelang immer dasselbe produzieren.

Sicherlich haben diese Prozesse auch mit einer schwindenden Risikofreude der Häuser zu tun, die wiederum ihre Ursache darin haben mag, dass die Theater unter einem enormen Druck stehen – in Form von Produktionsdruck, Rechtfertigungsdruck, Relevanzdruck –, nunmehr verstärkt durch die Corona-Pandemie, wenn es künftig darum gehen wird, die Säle wieder voll zu bekommen. Gleichzeitig sind durch die Pandemie aber auch neue Räume entstanden – im Digitalen. Wie hat sich die Situation von Theaterautor:innen dadurch verändert?

Dorothea Lautenschläger: Ich glaube, man muss noch ein wenig abwarten, um zu wissen, wie sich Corona langfristig auswirken wird. Aber sicher ist, dass es gerade für junge Autor:innen, die noch keine so enge Bindung an eine:n Regisseur:in oder ein Haus haben, nicht leichter geworden ist, an einem Theater anzudocken. Sowieso ist ja durch die Theaterschließungen ein enormer Stau an Produktionen entstanden, die jetzt erst einmal abgespielt werden. Bezüglich der digitalen Formate gab es bei uns viele kleine, schöne Anfragen. Texte wurden ganz anders, auch spielerisch gezeigt.

Das heißt, durch die digitalen Formate entstand die Bereitschaft, zu experimentieren und eben auch ein höheres künstlerisches Risiko einzugehen?

Dorothea Lautenschläger: Ja, besonders anfangs, als die Theater im Digitalen noch nicht so fit waren. Plötzlich waren auch die Autor:innen sehr viel mehr an den Prozessen beteiligt. Mittlerweile hat sich die Entwicklung natürlich professionalisiert. Man muss schauen, wie es weitergeht.

Sabine Westermaier: Wobei auch niemand so genau weiß, wie letztlich das digitale Angebot rezipiert wurde beziehungsweise in Zukunft rezipiert werden wird. Viele waren ja sehr schnell sehr müde, was Theater im Netz angeht. Auch wenn es ein Dinosaurier-Medium ist – aber Theater ist halt Theater, wenn es live ist.

Vor einiger Zeit hat sich dennoch mit der Digitalen Dramaturgie ein Netzwerk gegründet, welches explizit zu Theater im Digitalen forscht. Gibt es auch bei Ihnen Autor:innen, die sich Gedanken über eine digitale Dramaturgie beziehungsweise über ein Schreiben speziell für das Digitale machen?

Sabine Westermaier: Nicht das ich wüsste.

Was aber ist mit der Ebene der Textgenese? Self-Publishing-Plattformen wie Wattpad haben den auch bei Ihnen vorhandenen Kollektivgedanken bereits getoppt. Hier entstehen Romane unter Mitwirkung der Crowd: Autor:innen und Leser:innen sind im ständigen Austausch, um den Gang des Schreibens zu beeinflussen. Angeblich werden dadurch Millionen Leser:innen gewonnen. Im Hinblick auf die Akzeptanz zeitgenössischen Schreibens also durchaus attraktiv. Das Problem, finde ich, ist nur, dass dieses Click-Order-and-Buy-Prinzip der Idee von Kunst völlig zuwiderläuft. Kunst liefert eben nicht das Gewünschte oder Erwartbare, sondern, wenn sie gut ist, das Sperrige, Ungewöhnliche, Irritierende. Ginge ein solcher Wattpad-Ansatz im Sinne des Kollektivgedankens für Sie zu weit?

Beide: Also wir würden das durchaus mal probieren. (lachen) Als Experiment.

Dorothea Lautenschläger: Und man muss sich ja auch nicht für ein Verfahren entscheiden. Wenn Theatertexte indes ausschließlich so entstehen würden, wüsste ich nicht, wie ich das finde.

Sabine Westermaier: Das Problem ist aber auch, und da sind wir wieder beim Thema Nachhaltigkeit, dass der Raum für neue Dramatik über die Jahre immer kleiner geworden ist. Es wird zwar sehr viel mehr produziert, aber die Position des Gegenwartsstoffes hat sich parallel diversifiziert. Vor 15 Jahren war eine Romanadaption eher die Seltenheit, heute ist sie die Regel. Auch holt man sich für Gegenwartsanalysen gerne mal eine Performancegruppe ans Haus. Ich bewerte das nicht negativ, ich nehme es nur wahr. Ein Nachspielpreis wie in Heidelberg ist da nur ein kleines Pflaster, nicht die Lösung. Nachhaltig sind eher Beispiele wie die langfristige Kollaboration zwischen Autorin und Theater wie in Marburg. Oder eben zwischen Text und Regie, wie wir sie versuchen anzuzetteln. Wir wollen Künstler:innen-Freundschaften entstehen lassen, die eine größere Reichweite und eben Nachhaltigkeit haben als jene Teams, die mal eben von Dramaturgien oder Theaterleitung zusammengecastet werden. Wir wollen Seilschaften anstiften.

rua 2 web"Wir wollen Künstler:innen-Freundschaften entstehen lassen, die eine größere Nachhaltigkeit haben als jene Teams, die mal eben von Dramaturgien zusammengecastet werden", sagen Dorothea Lautenschläger und Sabine Westermaier. © Screenshot Zoom

Aber behindert diese Struktur nicht auch das Nachspielen von Stücken, wenn die Textgenese sehr eng an ein Arbeitskollektiv, also an bestimmte Personen gebunden ist?

Sabine Westermaier: Ich glaube, das passiert tatsächlich nur, wenn parallel ein Branding stattfindet. Beispielsweise wie bei freien Gruppen wie She She Pop, die aber aufgrund ihres künstlerischen Ansatzes auch kein so großes Interesse daran haben, dass ihre Performancetexte reinszeniert werden. Wir als Lektorinnen versuchen natürlich, die Texte generell auf einen Stand zu bringen, der sie des Nachspielens würdig macht. Schwierig wird es nur bei dokumentarischen Texten, die sehr stark auf einen Ort, eine Zeit und bestimmte Protagonisten zugeschnitten sind. Das sind keine schlechten Texte, aber was ein Stück für mich zu einem originären Nachspieltext macht, ist seine literarische Qualität.

Ein weiterer Faktor ist auch der Aktualitätsdruck, unter dem Autor:innen mitunter in Endlosschleife produzieren. Besonders wenn Dramatik mit Journalismus verwechselt wird: das neue Stück über Corona-Leugnern, über den Hambacher Forst, über rechte Strukturen in der Polizei … Irgendwann werden solche Stücke dann eben doch "alt".

Sabine Westermaier: Das ist natürlich ein Problem der Theaterleitungen und Dramaturgien, die solcherart Stückaufträge rausgeben. Ich sprach neulich mit einer Kollegin, die derzeit Stücke für den Schweizer Theaterpreis sichtet. Sie erzählte, dass sie dieses Jahr zu 80 Prozent Klimastücke vorliegen hat.

Dorothea Lautenschläger: Aber ganz häufig eröffnen Autor:innen doch auch einen größeren Kontext. Es gibt nach meinem Empfinden sehr viel Gegenwartsdramatik, die man auch noch in zehn Jahren spielen kann. Bei Klassikern existiert doch auch die Bereitschaft zu sagen, man nimmt den allgemeinen Kern eines Stückes und münzt ihn auf unsere Zeit. Warum ist die Schwelle bei Gegenwartsdramatik so hoch?

Man sieht: Die Lage bleibt kompliziert. Allein daran erkennbar, dass sich vor kurzem mit dem Verband der Theaterautor*innen VTheA und dem Theaterautor*innen-Netzwerk – wieder einmal – zwei neue Vereinigungen gegründet haben, um die Sichtbarkeit und die Situation von Dramatiker:innen zu verbessern. Warum scheint es für diesen Bereich so schwierig zu sein, endlich einmal eine dauerhafte, stimmstarke Lobby zu erschaffen?

Dorothea Lautenschläger: Weil solche Netzwerke auf Freiwilligkeit und Ehrenamt basieren.

Was zunächst auch beim Ensemble-Netzwerk der Fall war.

Dorothea Lautenschläger: Ja, aber die Gründungsmitglieder waren größtenteils am Theater angestellt und hatten, anders als freischaffende Autor:innen, ein regelmäßiges Einkommen. Sich als Gruppe zu finden, die sowieso eher zerfasert im Außen agiert, ist nicht so einfach.

Sabine Westermaier: Diese Netzwerke versuchen ja ähnliches wie wir: Die Situation zu verändern, dass auf der einen Seite das Theater steht, auf der anderen freie Künstler:innen, die eingekauft werden und letztlich wenig Mitspracherecht haben. Unsere Devise lautet: Aufmerksamkeit erzeugen, indem man Raum für Begegnungen schafft.

 

Das Gespräch führte Dorte Lena Eilers. 

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Sabine Westermaier studierte Theaterwissenschaft und audiovisuelle Medien, Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Pädagogik in Erlangen-Nürnberg. Sie war Dramaturgin am Theaterhaus Jena und am Staatstheater Stuttgart und arbeitete als Lektorin bei henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin. Neben der Arbeit als Lektorin und Agentin schreibt sie Hörspiele und Drehbücher.

Dorothea Lautenschläger studierte Theaterwissenschaft und Soziologie in Mainz, Regie in Frankfurt am Main und Kulturwissenschaft in Berlin. Sie war Regieassistentin am Staatstheater Wiesbaden, Theater Münster und in der Freien Szene in Hamburg. Aktuell arbeitet sie außerdem als freie Projektleiterin des Internationalen Theaterinstituts Berlin im Bereich der Theaterübersetzung und des Theaterpodcasts „Über Übersetzen“ von Yvonne Griesel.

rua. Kooperative für Text und Regie wurde 2019 von Sabine Westermaier und Dorothea Lautenschläger gegründet und steht neben der klassischen Verlags- und Argenturarbeit vor allem für die Stärkung einer vernetzten Zusammenarbeit zwischen den Theaterpraktiken Text, Regie und Dramaturgie. Gemeinsam mit den vertretenen Theaterschaffenden bietet rua eine Plattform für gemeinsame Projektideen, Konzepte, Kooperationen und inhaltliche Auseinandersetzungen. Solidarisch soll so Wissen und Erfahrung gegenseitig und für alle bereitgestellt werden. Gagentransparenz und Geschlechtergerechtigkeit sind Basis der gemeinsamen Arbeit. 

ruakooperative.de

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